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1 Alternative kosmologische ModelleDie Kosmologie gehört zu einem der sich am schnellsten entwickelnden Teilgebiete der Physik. Hervorgerufen durch eine Flut neuer Beobachtungsdaten ist man zum ersten Mal in der Lage, die Parameter innerhalb verschiedener kosmologischer Modelle stark einzuschränken. Zu der verbesserten Beobachtungslage haben mehrere z. T. satellitengestütze Experimente zur Vermessung der Hintergrundstrahlung (COBE, BOOMERANG, MAXIMA), Beobachtungen weit entfernter Supernovae vom Typ Ia (SCP, HIGH-z Search Team) und Messungen der Verteilungen von Galaxien (SDSS, XMM-LSS, 2dF QSO) beigetragen.
Auf theoretischer Ebene sucht man zur Zeit intensiv nach einem Modell, das möglichst alle Beobachtungen hinreichend gut beschreibt. Die beste Beschreibung liefert dabei ein Modell auf Basis der allgemeinen Relativitätstheorie, das mittlerweile als kosmologisches Standardmodell bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um ein Modell, das im gravitativen Bereich auf Ideen von Friedmann, Lemaître, Robertson und Walker zurückgreift und dessen Ursprünge bis in die zwanziger Jahre zurückreichen. Wesentliches Merkmal dieses Modells ist ein sich ausdehnendes nicht-statisches Universum, das sich aus einer sehr heißen Frühphase heraus entwickelt und dabei auf die heutigen Temperaturen abkühlt. Die am Anfang stehenden explosionsartige Ausdehnung eines punktförmigen Raumgebietes ist allgemein unter dem Namen Urknall oder Big Bang bekannt. Ausschlaggebend für die allgemeine Akzeptanz dieses Modells war die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung durch Penzias und Wilson im Jahr 1965, die schon 1949 von Alpher und Herman, aufgrund der Arbeiten von Gamov zur Nukleosynthese im Jahr 1942, vorhergesagt wurde. Trotz der großen Erfolge des Standardmodells ist dessen Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen. Insbesondere machten die 1998 von Perlmutter et al., Riess et al. und Schmidt et al. veröffentlichten Messungen der scheinbaren Helligkeiten weit entfernter Supernovae vom Typ Ia klar, dass man noch über zu wenige Kenntnisse einer wesentliche Komponente des Universums, der sogenannten dunklen Energie, verfügt. Dem Standardmodell zufolge besteht nämlich das Universum zu ca. 70% aus einer bisher unbekannten Energieform, eben der dunklen Energie. Diese Entdeckung führte zu einer großen Anzahl von Veröffentlichungen die u. a. auch die Wiedereinführung der kosmologischen Konstanten behandeln, einem schon von Einstein in seinen frühen Arbeiten zur Kosmologie vorgeschlagenen, bald darauf aber wieder verworfenem Konzept, welches damals zur Konstruktion eines statischen Modells des Kosmos diente. Eine überraschende Konsequenz des hohen Dunkelenergieanteils ist, zumindest im Rahmen des kosmologischen Standardmodells, dass sich das Universum zum heutigen Zeitpunkt beschleunigt ausdehnt.
Auf theoretischer Seite führten die beschriebenen Entdeckungen zu einem regelrechten Erklärungsnotstand. Fragen in diesem Zusammenhang sind: Was ist die dunkle Energie? Ist ein hoher Dunkelmaterieanteil wirklich zwingend? Sind Annahmen, die innerhalb des kosmologischen Standardmodells gemacht werden falsch? Gibt es kosmologische Modelle, welche vielleicht besser die neue Beobachtungssituation beschreiben? Ist es vielleicht sogar notwendig die zugrundeliegende Theorie der Gravitation, in diesem Fall die allgemeine Relativitätstheorie, abzuändern?
Bei der Entwicklung alternativer kosmologischer Modelle ist man heutzutage
auf die Hilfe von Computern angewiesen. Gerade im Bereich von
Gravitationstheorien, die über die allgemeine Relativitätstheorie
hinausgehen, wäre die Entwicklung von neuen Modellen aufgrund der
Komplexität der zugrundeliegenden Feldgleichungen undenkbar. Dabei
macht man insbesondere Gebrauch von Computeralgebrasystemen wie z. B. Maple
und Reduce, um die zu einem Modell gehörenden Feldgleichungen und
geometrischen Größen exakt zu berechnen. Neben den Rechnungen auf
algebraischer Ebene sind im Kontext der Kosmologie auch aufwendige numerische
Rechnungen durchzuführen. Insbesondere die Beschränkung von
Modellparametern aufgrund von Beobachtungsdaten erfordert einen hohen
Rechenaufwand. Durch die von den oben erwähnten Experimenten gelieferten
Daten ist man erstmals in der Lage, kosmologisch relevante Größen
quantitativ einzuschränken. Außerdem ist man stark daran interessiert,
alternative Szenarien möglichst schnell auf ihre Übereinstimmung mit
den Beobachtungsdaten zu prüfen, um dadurch Rückschlüsse auf die zugrundeliegende Gravitationstheorie zu ziehen. Eine Vielzahl in
der Planung befindlicher Experimente (SNAP, Planck) wird
die Beobachtungslage noch weiter verbessern und zu einem immensen Zuwachs an
Daten und damit auch zu einem Zuwachs der zur Parameterbestimmung benötigten Rechenleistung führen.
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